Armenien? Kenn‘ ich nicht. Gibt es das überhaupt? So oder ähnlich sind mir meine Freunde begegnet, als ich ihnen erklärt habe, wo ich dieses Jahr erneut Urlaub machen werde.

Armenien ist eine Republik im Südkaukasus. Das Land, das ungefähr so groß wie Belgien ist, grenzt im Süden an den Iran, im Westen an die Türkei, im Osten an Aserbaidschan und im Norden an Georgien. Vielen ist nicht bekannt, dass Armenien das erste Land der Erde ist, das im Jahr 301 das Christentum zur Staatsreligion erklärt hat. Überhaupt ist Armenien nicht besonders bekannt, dabei hat das Land eine Menge zu bieten: Es ist kulturell vielseitig, hat eine Menge Sehenswürdigkeiten und vor allem wird das kulinarische Fernweh gestillt.

Zu Gast bei einer armenischen Familie

Typische Zwischenmahlzeit in Armenien mit Nüssen, Kaffee und Obst

Typische Zwischenmahlzeit

Während meines  Aufenthalts bei einer armenischen Familie, die herzlicher nicht hätte sein können, fiel mir auf, wie stolz die Armenier auf ihr Land sind. Beim Abendessen erzählten sie mir in ihrem gebrochenen Englisch über ihre Geschichte, über das Leben in der Diaspora und vieles mehr. Vor allem die Sehnsucht, ihre Wurzeln kennenzulernen, scheint für viele in der Diaspora lebenden Armenier wichtig zu sein. Insgesamt wohnen mehr als drei Mal so viele Armenier außerhalb Armeniens wie im Land selbst.

Die armenische Küche

Apropos Essen. Das ist sehr wichtig für Armenier. Gegessen wird viel und eigentlich zu jeder Uhrzeit. So kam es mir jedenfalls vor. Zwischen dem Frühstück und dem Mittagessen gibt es noch eine Mahlzeit, bestehend aus Kaffee, Gebäck, Früchten, Kuchen und Nüssen. Hier darf vor allem nicht die Nationalfrucht Armeniens, die Aprikose, fehlen. Nachmittags gibt es meistens noch mal Kaffee und Kuchen. Armenier essen für gewöhnlich erst sehr spät zu Abend und meist folgt darauf nochmal ein Mitternachtssnack. Ich habe mich bei meiner armenischen Familie gefühlt wie bei meiner Oma. Stets wurde ich gefragt, ob ich mich wohlfühle und noch etwas essen möchte. Die armenische Küche kann ich wirklich jedem empfehlen. Das kulinarische Herz schlägt hier definitiv höher.

Auf den Spuren der Geschichte

Tempel von Garni in Armenien

Der Tempel von Garni

Neben den unzähligen Klöstern und Kirchen, die es in Armenien zu bewundern gibt, ist der Tempel von Garni besonders imposant. Auf dem Weg dorthin passiert es nicht allzu selten, dass auf den holprigen Landstraßen auch mal eine Kuh, ein Pferd oder Schafe den Weg kreuzen. Der Tempel von Garni ist beeindruckend und liegt etwa 35 Kilometer von Yerevan entfernt auf einer Erhöhung oberhalb einer Schlucht. Schon allein diese Schlucht und dieser Tempel sind eine Reise wert.

Der Tempel von Garni hat eine lange Geschichte. Er ist ebenfalls als Sonnentempel bekannt und stammt ungefähr aus dem zweiten Jahrhundert vor Christus. Hier spürt man förmlich die lange Geschichte, die zu diesem Tempel gehört.

Tempel von Garni, Armenien

Fährt man aus der Hauptstadt Yerevan hinaus, dauert es nicht lange, bis sich eine eher karge Natur vor einem ausbreitet. Dort ist alles noch größtenteils unberührt und von wirtschaftlichem Fortschritt weit entfernt. Schnell fällt auf, dass hier Menschen leben, die sich lange nicht einen solchen Standard leisten können wie wir hier. Sie verkaufen ihr selbstangebautes Obst und Gemüse am Straßenrand und versuchen so, über die Runden zu kommen.

Dennoch sind diese Menschen unglaublich zuvorkommend, hilfsbereit und freundlich, sie heißen Fremde mit offenen Armen willkommen. Da fällt es nicht schwer, sich für die angebotenen Produkte zu entscheiden, die auch noch ganz anders schmecken als die Früchte, die wir hier kaufen können. Nämlich viel, viel besser!

Landeswährung in Armenien ist übrigens der armenische Dram. Umgerechnet entsprechen 545.820 AMD (Armenische Dram) einem Euro. Da mussten wir viel rechnen!

Zwischen Erinnerung und dem Kampf um Anerkennung

Am Sonntag, dem 24. April 2016, war der Gedenktag für die Opfer des Völkermordes von 1915. Der Großteil der Armenier lebt in der Diaspora überall auf der Welt verstreut. Vor allem in den USA, Frankreich, Deutschland und dem Iran. Besonders an diesem Tag habe ich gemerkt, dass sie sich näher sind, als an keinem anderen Tag im Jahr. Noch heute, mehr als 100 Jahre später, ist der Völkermord fest in den Köpfen verankert. Auch in den jungen Generationen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebten über zwei Millionen Armenier im Osmanischen Reich. Sie waren eine Minderheit in einem muslimischen Umfeld. Den Anfang der Vertreibungen und der Massaker markiert der 24. April 1915. Während des 1. Weltkriegs wurde weggeschaut und den Dingen ihren Lauf gelassen. Seit Jahrzehnten kämpft das armenische Volk um die weltweite Anerkennung des Genozids. Allerdings läuft diese sehr schleppend.

Der Massenmord an den Armeniern ist vermutlich das dunkelste und unbekannteste Kapitel des 1. Weltkriegs. Experten schätzen, dass ca. 1,5 Millionen Armenier ihr Leben verloren. Die systematische Verfolgung und Tötung im Osmanischen Reich wird immer noch nicht von allen Staaten der Welt anerkannt, wofür das armenische Volk weiterhin kämpft.

Tsitsernakaberd: Beeindruckende Gedenkstätte des Völkermordes

Besonders beeindruckend ist die Genozid-Gedenkstätte Tsitsernakaberd, die für Gerechtigkeit stehen soll. Das Denkmal ist etwas höher gelegen, wodurch man einen atemberaubenden Blick auf die Hauptstadt Yerevan hat. An diesem Ort wird dem Besucher der Schmerz der Vergangenheit sehr eindringlich bewusst gemacht. Der Kampf um Akzeptanz und Anerkennung ist dort allgegenwärtig. Überall liegen Blumen und Kränze, um der Opfer des Genozids zu gedenken. Und obwohl ich mich vorher nie besonders mit dem Thema befasst hatte, kamen mir die Tränen.

Dort wurde mir klar, wie wichtig es ist, um die Anerkennung zu kämpfen. Ich möchte Teil einer Welt sein, in der niemand die Augen vor der Wahrheit verschließt oder die Realität leugnet. Darauf muss unbedingt aufmerksam gemacht werden. Die Hoffnung und der unbeugsame Glaube der Armenier sind unglaublich beeindruckend und Vorbild dafür, nie aufzugeben, sondern für die Wahrheit zu kämpfen.

Genozid-Gedenkstätte in Yerevan

Genozid-Gedenkstätte in Yerevan

Die armenische Sprache

Zurzeit bin ich übrigens dabei, Armenisch zu lernen. Das ist gar nicht so einfach, wie man sich vielleicht vorstellt. Das liegt daran, dass das armenische Alphabet aus 39 Zeichen besteht und das Schriftbild nichts mit dem lateinischen zu tun hat. Die Schrift wurde übrigens von Mesrop Maschtoz, einem gelehrten Mönch aus dem 5. Jahrhundert, erfunden.

Um sich vorstellen zu können, wie das in etwa aussieht, finden Sie hier einen Sprachensteckbrief zur armenischen Sprache.

Ich bin schon jetzt gespannt, was mich dieses Jahr in Armenien erwarten wird, und freue mich besonders darauf, meine Gastfamilie wiederzusehen.

Haben Sie Fragen zu Armenien oder zur armenischen Sprache und Kultur? Ich freue mich auf Ihren Kommentar!

443799bb6fd74e89a2247ff151be53ae

TopBlogs.de das Original - Blogverzeichnis | Blog Top Liste

Beiträge abonnieren

Mit Absenden des Formulars abonnieren Sie den Newsletter und akzeptieren die Datenschutzbestimmungen der Website.